Alle Hefte liegen still

Ungeachtet der drohenden Repression hat die Lehrergewerkschaft im Iran einen landesweiten Streik angekündigt. Auch im Irak ist die Regierung nicht erfreut über unabhängige Gewerkschaften.


Das »Gesetz über gleichwertige Bezahlung«, das den Lehrern höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen garantieren würde, sollte im Iran längst gelten. Es wurde im Jahr 2007 ver­abschiedet, wird jedoch nicht angewendet. Präsident Mahmoud Ahmadinejad versprach am 22. März, dem Gesetz Gültigkeit zu verschaffen, tat es jedoch nicht. Wahrscheinlich war er zu sehr damit beschäftigt, seinen Auftritt bei der Konferenz Durban II in Genf vorzubereiten.
Nun haben die iranischen Lehrer die Geduld verloren, ihre Gewerkschaft kündigte Proteste an. Am ersten Tag sollen die Lehrer in die Klassen gehen, aber keinen normalen Unterricht abhalten, sondern die Schüler über die Gründe für ihren Protest informieren. Am folgenden Tag sollen die Lehrer in der Schule erscheinen, aber keinen Unterricht geben. Dann soll ein nationaler Protesttag folgen, ein Streik in allen Schulen des Landes.
Die für diese Woche geplanten Aktionen sind eine außergewöhnliche Herausforderung für das iranische Regime. Education International, der in Brüssel ansässige internationale Verband der Lehrergewerkschaften, stellt fest, dass »die Lehrer in den vergangenen Jahren bedroht, unterdrückt und inhaftiert wurden, weil sie auf die Straße gingen. Selbst einfache Gewerkschaftsversammlungen wurden unterdrückt.« Gewerkschaftlich organisierte Lehrer seinen »festgenommen und verhört« worden.
Nach einem Streik der Busfahrer in Teheran Ende 2005 wurde die gesamte Gewerkschaftsführung inhaftiert, der Vorsitzende Mansoor ­Osanloo sitzt noch immer im Gefängnis. Der Streik, der die Hauptstadt lahmlegte, war eine Machtdemonstration der nicht anerkannten Gewerkschaftsbewegung.
Trotz der Repression kommt es immer wieder zu Streiks. Anfang April traten Arbeiter der Haft Tapeh Sugar Cane Company in den Ausstand, weil ihnen ihre Löhne nicht ausgezahlt wurden. Sie protestierten auch gegen die Verhaftung des Gewerkschaftsführers Ali Nejati, der mittlerweile auf Kaution freigelassen wurde. Der Fall wurde vom Gewerkschaftsverband International Union of Foodworkers aufgegriffen. Doch fast immer beschränken sich Streiks auf ein Unternehmen, die erkämpften Zusagen werden oft nicht eingehalten. Die Folgen des Lehrerstreiks hingegen werden im ganzen Land zu spüren sein, es ist unklar, wie das Regime darauf reagieren wird.
Im Irak sind Gewerkschaften nicht verboten, doch beansprucht die Regierung, ihre Tätigkeit zu reglementieren. So sollte die Iraqi Teachers Union (ITU) unter Kontrolle gebracht werden. Ende März wurde bekannt, dass die Regierung plant, das Vermögen der Gewerkschaft zu beschlagnahmen, und fordert, dass die Schlüssel für Gebäude und die Mitgliederlisten übergeben werden. Jasim al-Lami, der Präsident der ITU, wurde mit drei bis sieben Jahren Gefängnis bedroht, falls er nicht kooperieren sollte. Al-Lami war unter der Herrschaft Saddam Husseins sechs Jahre im Gefängnis Abu Ghraib inhaftiert, er erklärte, er sei bereit, wieder ins Gefängnis zu gehen, um seine Gewerkschaft zu verteidigen.
Die Regierung fordert, dass die gewählte Gewerkschaftsführung ersetzt werden müsse. Der tatsächliche Grund für die Maßnahmen dürfte sein, dass die ITU im vergangenen Jahr mit einer Reihe von Streiks und Demonstrationen eine Erhöhung der Lehrergehälter erkämpft hat. Die ITU ist eine der größeren und erfolgreicheren Gewerkschaften im Irak. Sie vertritt die Beschäftigten in Kindergärten, Schulen und Universitäten, die meisten Mitglieder sind Frauen.
Die Gewerkschaft widersetzt sich der Einmischung der Regierung in ihre Angelegenheiten, und sie gewann die Unterstützung der gesamten irakischen Gewerkschaftsbewegung. Die ITU rief Ende März zu einem öffentlichen Protest auf, an dem sich 500 Lehrer beteiligten. Es folgte ein Treffen mit dem Minister für Organisationen der Zivilgesellschaft, dem gleichen Minister, der ursprünglich gefordert hatte, die Gewerkschaft zu übernehmen.
Auf Initiative der General Federation of Iraqi Workers, des Gewerkschaftsverbands des Landes, findet eine Online-Protestkampagne auf der Webseite LabourStart statt. Fast 5 000 Protestbotschaften wurden den irakischen Botschaften in London, Ottawa, Canberra und anderen Städten übermittelt. Zahlreiche Einzelgewerkschaften und Verbände, unter ihnen der britische Trade Union Congress (TUC), protestierten gegen die Pläne der irakischen Regierung.
Der Versuch der Regierung, die Kontrolle über eine Gewerkschaft zu übernehmen, verstößt ­gegen die irakische Verfassung und zahlreiche Konventionen der International Labour Orga­nization (ILO), die der Irak unterzeichnet hat. Jüngsten Berichten aus dem Irak zufolge wird die Regierung möglicherweise bald ihre Entscheidung revidieren und es der Lehrergewerkschaft gestatten, ohne Einmischung ihre Führung zu wählen.
Die Repression gegen Gewerkschafter im Iran ist offenkundig. Die islamistische Staatsdoktrin sieht Interessenkonflikte nicht vor, zugelassen sind nur regimetreue »Islamische Räte«. Gegen unabhängige Gewerkschaften und Proteste von Lohnabhängigen ging der Staatsapparat in den vergangenen Monaten verstärkt vor. Die Gewerkschafterinnen Shiya Kheyrabadi und Susan Razani wurden ausgepeitscht, gegen den kur­dischen Lehrer und Gewerkschafter Farzad Kamnagar wurde die Todesstrafe verhängt.
Im Irak entstanden nach dem Sturz der Diktatur Saddam Husseins schnell unabhängige Gewerkschaften. Doch die Reformfreude erstreckte sich nicht auf das Arbeitsrecht, noch immer gelten die Gesetze der Diktatur, ergänzt um neue Verfügungen. Autoritäre Eingriffe in Gewerkschaftsangelegenheiten sind nicht selten. Die Regierung kann sich u.a. auf das im Jahr 2005 ­erlassene Dekret 8 750 berufen, das es gestattet, Gewerkschaftsvermögen zu beschlagnahmen. Für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft ist das nicht gerade förderlich. Angesichts der andauernden Gewalt sei es unverständlich, sagt Simon Steyne vom TUC, dass die Regierung »so viele Anstrengungen unternimmt, um eine der wenigen Institutionen zu drangsalieren, die Arbeiter ungeachet ethnischer und religiöser Grenzen vereint«.