Kein Zutritt für Gewerkschafter

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Zwei Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen in der Türkei und den USA gehen gegen gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter vor, obwohl die Firmen internationalen Rahmenvereinbarungen zu Arbeiterrechten zugestimmt haben.

Als die Delegation eintraf, stand an den Fabriktoren eine Reihe Polizisten mit Schutzschilden. Weitere Polizisten hielten sich in der Fabrik in Bereitschaft, ein großer Polizeibus parkte davor. Ende November standen 62 ausgeschlossene Arbeiter vor einer Metall verarbeitenden Fabrik außerhalb Istanbuls. Den Arbeitern, Mitglieder der türkischen Metallgewerkschaft Birlesik Metal-IS, wird seit Juli der Zutritt zur Fabrik in Gebze verwehrt.

Das türkische Unternehmen, eine Tochtergesellschaft der transnationalen GEA Group AG, die ihren Sitz in Bochum hat, behauptet, die Arbeiter hätten drei Mal jeweils eine Viertelstunde gestreikt. Diese »Streiks« fanden jedoch während der Tee- und Mittagspausen der Arbeiter statt. Türkische Arbeitsgerichte und ein vom Unternehmen eingesetzter unabhängiger Ermittler haben bereits entschieden, dass die GEA im Unrecht ist. Aber das Unternehmen weigert sich, die Aussperrung zurückzunehmen.

Die GEA gilt offiziell als »verantwortungsvoller Arbeitgeber«, sie ist eines der Unternehmen, die die internationalen Rahmenvereinbarungen mit der International Metalworkers’ Federation (IMF) unterzeichnet haben. Das ist bedeutsam, denn obwohl es sich um ein deutsches Unternehmen handelt, sind fast 60 Prozent der Belegschaft in Betrieben in anderen Ländern beschäftigt.

In der Rahmenvereinbarung, die 2003 unterschrieben wurde, bekennt sich das Unternehmen zu seiner sozialen Verantwortung und dem Grundrecht aller Beschäftigten, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten. Explizit verpflichtet die Vereinbarung dazu, die Konventionen 87 und 98 der International Labour Organization (ILO) zu respektieren, die das Recht auf freie Assoziation und kollektive Verhandlungen festschreiben. Diesem Abkommen folgten ähnliche Rahmenvereinbarungen zwischen der IMF und anderen transnationalen Konzernen mit Sitz in Deutschland, wie Volkswagen und Daimler-Chrysler.

Indem sie die 62 Arbeiter in Gebze aussperrte, verstieß die Konzernleitung gegen diese Vereinbarung. Sie weigerte sich, mit Vertretern der Gewerkschaft oder der IMF zu verhandeln. Kirill Buketov von der International Union of Foodworkers, einer der Sprecher der Streikpostenkette, nannte die Entscheidung der GEA, die Rahmenvereinbarung zu ignorieren und zu versuchen, die Gewerkschaft in der Türkei auszuschalten, eine »Kriegserklärung« an die internationale Gewerkschaftsbewegung. Adnan Serdaroglu, Gewerkschaftsführer von Birlesik Metal-IS, sagte vor den Demonstranten: »Falls GEA den Mut dazu hat, soll das Unternehmen nach Deutschland gehen und das Gleiche mit den deutschen Arbeitern machen – sie entlassen, weil sie gewerkschaftlich organisiert sind.«

Labour Start, ein Online-Portal für Nachrichten aus der internationalen Gewerkschaftsbewegung, begann daraufhin eine mehrsprachige Online-Kampagne, in der die GEA dazu aufgefordert wird, mit der Gewerkschaft zu verhandeln, die gefeuerten Arbeiter wieder einzustellen und eine Einigung auszuhandeln. Derzeit übt die IMF sowohl auf die IG Metall als auch auf den DGB Druck aus, eine aktivere Rolle zu übernehmen und die Streikenden zu unterstützen. Bislang gab es von Seiten der deutschen Arbeiter und Gewerkschaften kaum Unterstützung für die türkischen Kollegen der GEA. Das ist nicht neu. Nur zwei Monate zuvor hatte ein anderer weltweiter Gewerkschaftsbund, die UNI Global Union, Labour Start darum gebeten, eine Online-Kampagne gegen ein anderes deutsches Unternehmen zu beginnen: die Deutsche Telekom. Diese Kampagne richtete sich gegen die Weigerung des Konzerns, den Beschäftigen der Tochtergesellschaft T-Mobile USA zu erlauben, Gewerkschaften beizutreten.

Nach Angaben der Telekommunikationsgewerkschaft Communication Workers of America (CWA) versuchte das Unternehmen mit Drohungen und Einschüchterung, Organisationsversuche zu unterbinden. In einer Kampagne, die die Gewerkschaft als »brutal« bezeichnet, habe »die Konzernleitung Memos und Direktiven verteilt, die Managern Anweisungen dazu erteilen, wie sie Organisationsversuche stoppen und ihren Sicherheitsleuten befehlen sollen, Arbeiter, die sich organisieren wollen, zu schikanieren. (…) Das höhere Management weigert sich sogar, überhaupt mit Vertretern von den CWA zu reden.«

UNI wollte die Deutsche Telekom durch eine internationale Rahmenvereinbarung einbinden. »Während ein solches Abkommen unter dem alten Management der Deutschen Telekom schon kurz vor dem Abschluss stand«, habe »das derzeitige Management sich geweigert, jegliche Dokumente zu unterschreiben, die seine Kampagne für den Ausschluss von Gewerkschaften behindern könnten«, so UNI. Doch auch die Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung ist keine Garantie dafür, dass Arbeiterrechte respektiert werden. Einige andere globale Gewerkschaften haben aufgehört, derartige Vereinbarungen zu unterschreiben, da die Erfahrung mit Unternehmen wie der GEA zeigt, dass sie kein Ersatz für eine starke Gewerkschaft im Betrieb sind.

Mittlerweile haben die CWA und Verdi eine Kampagne begonnen, um das E-Mail-Postfach des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, René Obermann, mit Nachrichten zu überschwemmen, in denen gefordert wird, dass das Unternehmen »zu einer Vereinbarung kommt, um die Beeinträchtigung zu beenden und das Recht der Arbeiter, selbst über den Eintritt in eine Gewerkschaft zu entscheiden, akzeptiert wird«. Mehr als 10 000 Menschen schickten eine Mail, Obermann beauftragte einen Untergebenen damit, an jeden einzelnen Absender eine lange Antwort zu schicken, in der er das Unternehmen verteidigt. UNI hat eine ebenso detaillierte Gegendarstellung veröffentlicht.

Die Kämpfe bei T-Mobile USA und der GEA in der Türkei haben viele Gemeinsamkeiten. Es geht um Unternehmen, deren Beschäftigte sich in Deutschland gewerkschaftlich organisieren können und die mit globalen Gewerkschaftsverbänden in einen Dialog getreten sind, während etwa Wal-Mart berüchtigt dafür ist, in keinem seiner Geschäfte Gewerkschaften zuzulassen und sogar lieber eine Filiale zu schließen, als eine gewerkschaftliche Vertretung zu akzeptieren. Doch die Deutsche Telekom und die GEA handeln wie Wal-Mart, wenn sie es können. Müssen sie mit einflussreichen Gewerkschaften wie der IG Metall und Verdi verhandeln, achten diese Unternehmen darauf, sich zur »Sozialpartnerschaft« zu bekennen. Aber wenn sie es mit viel schwächeren Gewerkschaften in den USA oder der Türkei zu tun haben, schüchtern sie ihre Beschäftigten ein, entlassen Arbeiter und verhindern Kampagnen zur Gewerkschaftsorganisation.

Aber sie sind verwundbar, wie die Reaktion der Deutschen Telekom auf die E-Mail-Kampagne gezeigt hat. Sie fürchten eine negative Berichterstattung, denn diese kann sich geschäftsschädigend auswirken. E-Mail-Kampagnen sind dabei nicht das einzige Mittel, das Gewerkschaften zur Verfügung steht. Das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und kollektive Verhandlungen zu führen, wird theoretisch durch internationale Abkommen garantiert, muss jedoch auch in demokratischen Staaten immer wieder erkämpft werden. Die Mitgliedsgewerkschaften des DGB haben bisher wenig getan, um ausländischen Mitarbeitern deutscher Unternehmen bei solchen Kämpfen zu helfen, und zweifellos könnten IG Metall und Verdi mehr tun, um die Beschäftigten der GEA und von T-Mobile USA zu unterstützen.