Militant gegen den Arbeitskampf

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Um Sparmaßnahmen und Privatisierungen durchzusetzen, greifen immer mehr als demokratisch geltende Staaten zu Gewalt gegen Gewerkschaften.

Während sich die globale ökonomische Krise verschlimmert, wenden nationale Regierungen immer öfter Gewalt an – sogar militärische –, um gegen Gewerkschaften vorzugehen, die manchmal das einzige Hindernis für die Durchsetzung wirtschaftsliberaler »Reformen« darstellen. Diese Art der Gewaltanwendung unterscheidet sich von früheren Fällen darin, dass es beispielsweise nicht mehr um die Unterdrückung separatistischer Bestrebungen ethnischer Minderheiten geht oder um eine Gewaltanwendung, die in autoritären Regimes erwartbar wäre. Neu ist, dass sie in Ländern vorkommt, von denen man dachte, sie hätten den Übergang zur Demokratie erfolgreich hinter sich gebracht, und die zu engen Verbündeten des Westens gehören. In der Türkei, einem Land, das sich der Welt als leuchtendes Beispiel dafür präsentiert, dass sich Islam und Demokratie vereinbaren lassen, sind Arbeiterinnen und Arbeiter, die ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisierung in Anspruch nehmen, vermehrt Angriffen des Staates ausgesetzt. Ende Juni verhaftete die Polizei mehr als 70 Gewerkschaftsführer im ganzen Land. Ziel des Angriffs war die KESK, eine Gewerkschaft im öffentlich Dienst Beschäftigter, die an vorderster Front gegen die Privatisierungspolitik der Regierung Recep Tayyip Erdoğans kämpft. Vorwand für die Razzia war, wie bereits in der Vergangenheit, der Vorwurf, die Gewerkschafter hätten Verbindungen zu einer verbotenen terroristischen Organisation. Beweise gab es dafür nie. Gewerkschaften weltweit fordern die Freilassung der Inhaftierten und weisen alle Anklagepunkte zurück.

Die Verhaftungen folgten einem großen Angriff auf Luftfahrtarbeiter im Mai. Ein führender Politiker aus Erdoğans konservativ-islamischer AKP hatte vorgeschlagen, das türkische Arbeitsrecht zu ändern, um Streiks im Luftfahrtssektor zu verbieten. Das löste einen großen Arbeitskampf bei Turkish Airlines aus. Hunderte Arbeiter wurden entlassen, als sich der Konflikt zuspitzte. Die gewerkschaftsfeindliche Offensive hat in der Türkei dazu geführt, dass Unternehmen wie DHL Versuche ihrer Beschäftigten, Gewerkschaften zu gründen, unterbinden können. In diesem Fall wurden 24 Beschäftigte entlassen. Auf der Website von DHL heißt es: »Wir unterstützen eine Unternehmenskultur, die auf Dialog gründet.« Aber in einem Land wie der Türkei, wo die Regierung offen gewerkschaftsfeindlich ist, hat DHL für eine äußerst dreiste Form der Zerschlagung von Gewerkschaften keine Sanktionen zu erwarten.

Nigeria wird von dem unabhängigen Menschenrechtsinstitut Freedom House als »teilweise frei« bezeichnet. 1999 endete mit den ersten freien Wahlen die Militärdiktatur. Die heutige Regierung geht aber manchmal so brutal wie das Regime von Sana Abacha in den neunziger Jahren vor, vor allem wenn es wirtschaftspolitisch opportun scheint. Die nigerianische Regierung hatte beschlossen, die Elektrizitätsversorgung des Landes komplett zu privatisieren, Beschäftigte im Energiesektor wehrten sich gegen den Ausverkauf. Ende Juli wurden sie daher mit Waffengewalt dazu gezwungen, Reden der Minister für Arbeit und Energie zu lauschen, um sich überzeugen zu lassen. Peter Waldorff, der Generalsekretär des ­internationalen Gewerkschaftsverbands Public Services International, schrieb daher dem ni­gerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan: »Wir dachten, die Diktatur sei bereits seit einigen Jahren vorbei (…). Es scheint, als ob Sie mit allen Mitteln, selbst mit militärischen, politische Entscheidungen durchsetzen, die nicht dem öffent­lichen Interesse entsprechen.«

Das Muster wiederholt sich in anderen Ländern – auch in traditionelleren Diktaturen wie Swaziland –, und die Angriffe scheinen sich auszuweiten. Vor allem öffentlich Beschäftigte sind damit konfrontiert, dass Regierungen mit wilder Entschlossenheit Sparmaßnahmen und Privatisierungen durchsetzen. Sollten Gewerkschaften und andere Organisationen es nicht schaffen, diese Regierungen davon zu überzeugen, dass sie für die Verletzung von Arbeiterrechten bezahlen müssen, wird die Gewalt zunehmen.