Global hassen, lokal stören: Ein Treffen von Gewerkschaftern aus dem Nahen Osten in Istanbul

Die Gewerkschaften spielten eine wichtige Rolle in den arabischen Revolten, und diese Revolten beeinflussten gewerkschaftliche Kämpfe und soziale Proteste in anderen Regionen der Welt. In Istanbul trafen Ende November auf der »Labour Start Global Solidarity Conference« Mitglieder neu gegründeter Gewerkschaften aus den Ländern des »arabischen Frühlings« Kollegen von etablierten Gewerkschaften. »100 Gewerkschaften, 30 Länder, eine Klasse«, fasste der kanadische Gewerkschafter Derek Blackadder zusammen. Die Delegierten besuchten die Streikposten vor einer Fabrik der deutschen Firma GEA. Die Arbeiter sind seit Wochen ausgesperrt, sie protestieren gegen ihre Entlassung.

Es gab aber auch einen Versuch antiisraelischer Aktivisten, die Konferenz zu sprengen. Trotz der Befürchtung, dass es Störungen dieser Art geben könnte, war entschieden worden, das Trefen in Istanbul abzuhalten. Alle bedeutenden türkischen Gewerkschaften unterstützten diese Entscheidung und bildeten ein Organisationskomitee, die Ölarbeitergewerkschaft Petrol-Is stellte ihre Räumlichkeiten zur Verfügung.

In Arbeitskreisen und auf Plena wurde über Themen wie prekäre Arbeit, die Rolle der Frauen in der Gewerkschaftsbewegung, die Organisierung migrantischer Arbeiter und globale Kampagnen diskutiert. Als ich in meiner Eröffnungsrede neben zahlreichen anderen Staaten Israel erwähnte, verließen mehrere nordafrikanische Delegierte den Raum. Danach sprach Sharan Burrow, Generalsekretärin der »International Trade Union Confederation«, über den israelisch-palästinensischen Konflikt und die Unterstützung des internationalen Gewerkschaftsverbands für eine Zwei-Staaten-Lösung. Später erhoben andere Konferenzteilnehmer den Vorwurf, »Labour Start« sei ein »zionistisches« Projekt.

Bei einem Treffen versuchte ich, eine Klärung herbeizuführen und Gerüchte zu widerlegen, die seit Jahren verbreitet werden, etwa, dass »Labour Start« Nachrichten über palästinensische Arbeitskämpfe unterdrücke. Unterdessen bereiteten sich die antiisraelischen Aktivisten, geführt von einem englischen Mitglied der Socialist Workers Party, die die Hamas unterstützt, auf einen weiteren Angriff vor. Sie brachten eine »Resolution« in Umlauf, die sich gegen die Teilnahme von Repräsentanten des »rassistischen und zionistischen« israelischen Gewerkschaftsverbands Histadrut aussprach.

Die Kampagne war aus zwei Gründen befremdlich. Zum einen waren Repräsentanten der Histadrut auf der Konferenz gar nicht anwesend. Fünf israelische Staatsbürger, unter ihnen eine Araberin, nahmen teil, aber keiner von ihnen vertrat den israelischen Gewerkschaftsverband. Überdies sind Konferenzen von »Labour Start« keine Foren, um Entscheidungen für die Gewerkschaftsbewegung zu treffen, daher werden auch keine Resolutionen verabschiedet. Nun wurde das Gerücht verbreitet, ein Foto sei entdeckt worden, auf dem ich in israelischer Uniform in der Westbank zu sehen sei.

Unterdessen ging die Konferenz weiter, so debattierten palästinensische Gewerkschafter zweier rivalisierender Organisationen. Niemand erwähnte die antiisraelische Kampagne BDS (Boykott, Desinvestment, Sanktionen). An einem anderen Arbeitkreis beteiligten sich zwei Israelis, ein Araber und ein Jude, vom »Workers Advice Center«, einer linken, alternativen Gewerkschaft. Am Rand der Konferenz, in den Fluren und während der Kaffeepausen, trafen sich die Israelis mit anderen Konferenzteilnehmern, mit denen sie ansonsten nicht hätten sprechen können, unter ihnen Delegierte der unabhängigen und illegalen iranischen Gewerkschaften.

Von großem Interesse für die vielen Teilnehmer war der Arbeitskreis »Echos des arabischen Frühlings«. Gewerkschafter aus den USA, Israel und dem irakischen Kurdistan diskutierten über die Aufstände und Proteste außerhalb der arabischen Welt, die sich an den Revolten in Tunesien und Ägypten orientieren. Der kleine Raum war überfüllt mit Delegierten aus mehr als einem Dutzend Ländern, auch aus mehreren arabischen Staaten. Doch als die Sitzung begann, wollten mehrere türkische Aktivisten der BDS-Kampagne wissen, ob der israelische Sprecher ein Mitglied der Histadrut sei. Ich moderierte die Sitzung und intervenierte, um eine Unterbrechung zu verhindern. Ich sagte ihnen, dass ich Mitglied der Histadrut gewesen sei, als ich in Israel gelebt hatte, und dass Mitglieder der Histadrut willkommen seien. Die Störer waren empört, stürmten schließlich hinaus und schlugen die Tür hinter sich zu. Keiner der arabischen Delegierten folgte ihnen, die Diskussion konnte weitergehen.

Während wir über die Bewegung »Occupy Wall Street«, die sozialen Proteste in Israel und den 62tägigen Aufstand im Nordirak, den »kurdischen Frühling«, diskutierten, waren die Israel-Hasser damit beschäftigt, überall im Gebäude Plakate aufzuhängen, auf denen zu lesen war, dass die »rassistische und zionistische Histadrut« nicht willkommen sei. Eine Eskalation drohte, einer der wenigen jüdischen Konferenzteilnehmer wollte eines der Plakate herunterreißen, aber Gewalt konnte verhindert werden.

Während des Abschlussplenums gab es eine weitere Aktion der Hamas-Unterstützer, sie stürmten die Bühne und behaupteten, das Organisationskomitee der Konferenz zu repräsentieren. Nach einer langen Tirade gegen den Zionismus meldete sich ein nordafrikanischer Delegierter zu Wort und sprach sich gegen die antiisraelischen Störer aus. Am Tag nach der Konferenz trafen sich arabische Delegierte mit Repräsentanten von »Labour Start« und des »Solidarity Center« des US-Gewerkschaftsverbands AFL-CIO.

Trotz allem war die Konferenz ein Erfolg. Gewerkschafter, die gewöhnlich nicht die Möglichkeit haben, einander zu treffen, konnten ihre Erfahrungen austauschen und dazu beitragen, eine globale Solidaritätsbewegung aufzubauen. Die antiisraelischen Aktivisten hatten daran kein Interesse, sie hatten nur eine Botschaft und wollten ihren Hass gegen Juden im Allgemeinen und insbesondere Israelis zum Ausdruck bringen.